„Das ist ja wie in Jamaica“, denke ich mir, während meine Füße in feinstem Sand der Schwarzmeerküste stehen. Aus den Boxen in den Strandbars von Vama Veche dröhnen derweil Dancehall und Reggae-Beats. Ab 3 Uhr wechselt es auch schon mal auf Drum and Bass. Ein paar hundert Meter weiter haben wir unser Nachtlager aufgeschlagen. Wildcampen, das stört in Vama Veche niemand. Hier am südlichsten Zipfel der rumänischen Schwarzmeerküste gibt man nicht so viel auf Regeln.

Weniger Kilometer weiter ist die Grenze zu Bulgarien. Doch Rumänien endet hier vor allem am Meer. Diesem Schwarzen Meer, das immer schon ein Meer zwischen Ost und West und Nord und Süd war. Es ist kurz nach Vier am Morgen, als wir sehen, wie sich die Sonne langsam den Weg aus dem Schwarzen Meer zurück an den Horizont kämpft. Ein neuer Tag bricht über den Balkan herein.

Das sind die Erinnerungen, die ich an meinen ersten Besuch in der Dobrudscha im Jahr 2008 habe. Sechs Jahre später nun bin ich zurück. Diese Region, voll von Maisfeldern, die von alten Traktoren bewirtschaftet werden. Dazwischen Landarbeiter, deren lederne Haut von der Sonne hier schon tief braun gefärbt wurde.

Der Strand von Durankulak ist offensichtlich für Zwei- und Vierbeiner ein gutes Ausflugsziel.
Der Strand von Durankulak ist offensichtlich für Zwei- und Vierbeiner ein gutes Ausflugsziel.

Durankulak – Raststätte an der Vogelroute Via Pontica

Die ganze Schwarzmeerküste Bulgariens ist eine einzige Vogelautobahn. Alle Piepmätze, groß und klein, auf dem Weg von ihren Sommerquartieren in Nordeuropa und den Winterquartieren in Afrika ziehen hier durch. Auch in Durankulak, dem nördlichsten Dorf der Schwarzmeerküste in Bulgarien und der dortigen Volgelbeobachtungsstation gibt sich alles die Klinke in die Hand, was bei Ornithologen Rang und Namen hat: Weiß- und Schwarzstörche, Kraniche, Kormorane und sogar Pelikane. Besonders berühmt aber ist die region für verschiedene Gänsearten. Rund um den geschützten Durankulak-See kann man ganzjährig Vögel beobachten.

Doch auch ruhebedürftige Mensch findet um Durankulak, was er in Albena und Goldstrand sicher nicht findet. Während sich an den Stränden dort im Sommer Menschen aneinanderreihen wie in einer Sardinenbüchse, liegen am Strand von Durankulak nur wenige Seelen im Sand. Der Wind, der heute durch die Ebene der Dobrudscha weht, trägt den Sand raus aufs Meer.

Im Fischerdorf Krapets stehen die Boote bereit für den nächsten Fischfang.
Im Fischerdorf Krapets stehen die Boote bereit für den nächsten Fischfang.

Krapets – Wo ist Fischers Fritz?

Fischerboot an Fischerboot reiht sich etwas weiter südlich von Durankulak am kleinen Hafen des Fischerdorfes Krapets. Netze liegen neben einem Holzhaus. Es scheint Mittagspause zu sein, denn kein Fischer ist am Strand und doch scheint es, als ob jemand bis vor ein paar Minuten an den Motoren geschraubt hat. Vor einer der Holzhütten entdeckt Tanja einen Hundewelpen und nimmt ihn sogleich auf den Arm. Bis wir weiterfahren, kann sie das kleine Fellknäuel nicht mehr loslassen. Ich schlendere so lange umher und schaue, ob irgendwo ein wenig frischer Fisch zu finden ist. Meine Erkenntnis: Wo kein Fischer, da kein Fisch.

Und auch der Strand ganz in der Nähe ist ähnlich leer. Wir müssen erst suchen, bis wir ihn finden. Ein paar Autos stehen am Rande des Küstensandes. Zwei Imbisswagen versorgen ein paar Leute auf Holzbänken mit Getränken. Neben etwas Musik aus den Plastik-Lautsprechern sind sonst nur die Wellen zu hören, die alle paar Sekunden auf den feinen Sandstrand aufschlagen. Aus den Boxen dröhnt knarzend etwas bulgarische Tschalga-Musik. Aber man kann es auch leicht überhören.

Wenn das Rot am Leuchtturm Schabla eine Signalfarbe sein soll, dann höchstens als Warnung vor dem drohenden Verfall.
Wenn das Rot am Leuchtturm Schabla eine Signalfarbe sein soll, dann höchstens als Warnung vor dem drohenden Verfall.

Leuchtturm Schabla und die Seebrücke der Kormorane

Wieder ein paar Kilometer weiter sieht man schon von etwas Entfernung des Leuchtturm von Schabla. Er ist mit seine 28 Metern der größte in Bulgarien. Er ist typisch für diese Gegend, wirkt er doch irgendwie vergessen. Der Turm hat schon bessere Tage erlebt, seit er 1856 eröffnet wurde. Wenn die rote Farbe hier noch eine Signalfarbe sein soll, dann höchstens Als Zeichen des Verfalls, den man hier bezeugen kann. Noch heruntergekommener ist jedoch die Seebrücke gleich daneben. Sie ist mit einer Stahlabsperrung abgetrennt. Oben drauf noch Stacheldraht – hier soll defintiv niemand drauf. Die Kormorane, die die Brücke mittlerweile in Beschlag genommen haben, scheint das kaum zu interessieren. Unser Guide Antanas berichtet, dass es heute noch vergleichweise wenige sind. Sie tragen aber dafür auch zum weiteren Verfall der einstigen Seebrücke bei. Bald wird sie wahrscheinlich gänzlich in den Fluten des Schwarzen Meeres versinken. Ihre Tage sind schon lange gezählt.

Bei Kamen Bryag findet sich nicht nur eine wunderschöne Steilküste. Hier gibt es auch Felsformationen. Die Nekropolis der Thraker gehört zu den ältesten Zeugnissen von Siedlungen in der Region.
Bei Kamen Bryag findet sich nicht nur eine wunderschöne Steilküste. Hier gibt es auch Felsformationen. Die Nekropolis der Thraker gehört zu den ältesten Zeugnissen von Siedlungen in der Region.

Kamen Bryag – Steinformationen von Mensch und Natur

Weiter südlich von Schabla aus fahren wir auf einem kleinen humpeligen Feldweg wieder Richtung Küste. Da es etwas zu heikel wird, parken wir das Auto und laufen die restlichen Meter. Im Gras türmen sich einige Steine auf. Was etwas banal wie ein Haufen Steine aussieht, ist in Wahrheit eine antike thrakische Nekropole. Ein Friedhof der Ur-Ahnen der Bulgaren sozusagen. Direkt daneben fällt eine Felsklippe steil ab. Unter sitzt ein einzelner Mann auf einen Felsen. Wir wundern uns, wie er überhaupt dorthin gekommen ist.

Warnung! Am Kap Kaliakra geht es steil bergab.
Warnung! Am Kap Kaliakra geht es steil bergab.

Kap Kaliakra – Delfine im Schwarzen Meer beobachten

Der Parkplatz des Kap Kaliakra ist der Scheidepunkt zwischen der menschenleeren Dobrudscha von Durankulak bis Schabla und den vollen Resorts von Albena und Goldstrand. Hier, an einem der östlichsten Punkte Bulgariens, haben wir das Glück im Wasser zwei dunkle Streifen beobachten zu können. Bei genauerem Betrachten stellen sie sich als zwei Delfine heraus, die immer wieder auftauchen, um nach Luft zu schnappen. Die bis zu drei Meter großen Delfine sind hier allerdings nicht hellgrau, wie man es aus Flipper kennt. Anders als die Großen Tümmler der Fernsehserie, hat der Gemeine Delfin einen dunklen Rücken und ist auch deshalb im türkisen Wasser des Schwarzen Meeres gut zu erkennen. Knapp 5 Minuten dauert es, bis sie an einer Felsklippe aus dem Blickfeld verschwinden. Wie wir später erfahren, hat unsere Begleitgruppe ein paar Stunden zuvor sogar eine ganze Gruppe Delfine mit mehr als einem Dutzend Tieren gesehen. Wir sind neidisch, während wir ein paar Geschichten über die Geschichte des Kaps hören, die noch heute eine Militärbasis ist. Am Ende des Kaps, hört auch Bulgarien auf und das Schwarze Meer beginnt. Von der kleinen Kapelle am Ende des Felsvorsprungs schaue ich zur See hinaus und stelle mir vor, wie das Kap wohl von unten aussieht. Wenn ich doch nur einmal mit den Delfinen tauschen könnte.

Hinweis: Ich bin auf Einladung des Bulgarischen Tourismusministeriums im Land gewesen. Meine Meinung beeinflusst das natürlich nicht.

Posted by Peter Althaus

Hi, ich bin Peter und ich schreibe hier auf Rooksack über meine Abenteuer mit dem Rucksack in der Welt. Wenn Du mehr davon willst, folge mir auf Facebook, Twitter oder abonnier uns per E-Mail!

2 Comments

  1. Cornelia Lohs Juli 13, 2014 at 10:20

    Klingt absolut traumhaft!

    Antworten

    1. War auch traumhaft! Selten so einsame Strände gesehen. Zumindest in Europa.

      Antworten

Leave a reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert