Es sind immer die fernen Orte, die einen faszinieren. Für mich als Kind in der ostdeutschen Provinz, mit dem Muff der DDR und dem Nebel der Sowjetunion überall noch zu spüren, war New York eine Sehnsuchtsstadt. Über dem Bett in meinem Kinderzimmer hing ein Bild der Skyline von New York mit dem World Trade Center. Diese Ansicht hatte mich schon immer fasziniert. In der Schule habe ich sie sogar im Kunstunterricht nachgezeichnet. New York war insgeheim die Stadt in die ich wollte, als ich mich im Jahr 2000 für ein Austauschjahr in den USA beworben habe. Ich gab an, vom Land zu kommen und endlich einmal in eine große Stadt zu wollen. Am Ende landete ich in Kansas – was vermutlich das amerikanische Äquivalent zu dem Sachsen-Anhalt war, aus dem ich kam. Umso mehr habe ich mich dann gefreut, als meine Mutter und Schwester mich am Ende meines Schuljahres besuchen gekommen sind und sie planten mit mir nach New York zu reisen.
Reise in das New York vor dem 11. September
Es war Mitte Mai als unser Flugzeug auf der Landebahn von Newark aufsetzte. Wir nahmen uns ein Taxi und fuhren durch den Holland-Tunnel. Die Skyline vom Bild in meinem Kinderzimmer sollte ich erst später sehen. Nach einer knappen halben Stunde schlängelte sich das Taxi durch die Straßen Manhattans. Zu beiden Seiten konnte man die Sonne nicht sehen, selbst den Himmel kaum. Für jemand vom flachen Land ist das bis heute das faszinierendste an Großstädten, für die New York der Prototyp ist. Unser Hotel, das Cosmopolitan Hotel Tribeca, war nur drei Blocks vom World Trade Center entfernt. Schon am ersten Abend habe ich gedrängelt, doch unbedingt mal dorthin zu gehen. Ich erinnere mich noch an die Lichter der Hochhauses. Ich habe mich damals auf eine Bank neben den Türmen gelegt und nach oben geschaut. Es sag aus, wie eine Autobahn aus Lichtern, die direkt in den Himmel führte. Für mich bis heute die prägendste Erinnerung des New-York-Besuchs.
World Trade Center oder warum man manche Chance nur einmal bekommt
An den nächsten Tag stand das übliche Besuchsprogramm für New York an. Mit der Fähre zur Liberty Island, zur Freiheitsstatue. Die Fifth Avenue hinunter und durch den Central Park spazieren. Für mich war der Besuch unglaublich spannend. Und dann kam auch die Frage auf, auf welches Hochhaus wir denn fahren sollten. Gegen das World Trade Center sprach, dass man nicht ins Freie konnte, sondern nur hinter Glasfenstern auf die Stadt schauen konnte. Wir entschieden uns für das Empire State Building, als den Klassiker unter den Hochhäusern. Mit seiner Art-Deco-Fassade immer noch der schönste Wolkenkratzer der Welt. Lange Schlangen und ein auch damals schon enorm teurer Eintritt. Aber dafür dieser Blick über ganz Manhattan und in die benachbarten Stadtteile und nach New Jersey. Den Besuch des World Trade Centers verschoben wir auf den nächsten Morgen, schließlich war das Gebäude nur drei Blocks von unserem Hotel entfernt. Am nächsten Morgen standen wir in der Lobby des Gebäudes. Ich kann mich noch an einen langen Empfangstisch, vermutlich für die Geschäftsbesucher des Gebäudes erinnern. Auch eine große Halle aus Glas gab es. Ich meine es hätte dort Kameras gegeben, die die Aussicht auf die Stadt zeigten. Schon von unten hatten wir gesehen, dass das ganze World Trade Center in den Wolken hing. Wir entschieden uns gegen einen Besuch, auch weil der Eintritt teuer war und ich mir sicher war, dass ich New York nochmal wiedersehen würde.
Katastrophe live im Fernseher
Vier Monate später war ich nach Deutschland zurückgekehrt. Ich hatte bereits meinen ersten Monat am Humboldt-Gymnasium in Leipzig hinter mir und war dabei mit einer Freundin zu telefonieren. Plötzlich fragte sie: „Ach hast Du schon im Fernsehen gesehen, was passiert ist?“. Ich verneinte und sie sagte, ich solle anschalten. Und da sah ich dieses Bild. Das World Trade Center, in dessen Lobby ich vier Monate zuvor gestanden hatte, in Rauch gehüllt. Immer wieder wurden die Szenen der einschlagenden Flugzeuge wiederholt. Ich musste auflegen, versuchte meine Gastfamilie in den USA zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt sah es aus, wie der Beginn des 3. Weltkrieges. Ich konnte niemanden erreichen. Noch während ich versuchte mit dem schnurlosen Telefon meine Gastmutter zu erreichen, brachen die Türme live vor meinen Augen im Fernsehen zusammen. Die Traumstadt meiner Kindheit verlor ihr Gesicht. Und ich die Chance mir meinen Traum zu erfüllen.
Könnt ihr euch noch erinnern, was ihr am 11. September getan habt? Bitte schreibt es mir in die Kommentare!
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also ich bin am 11. september gebohren