Es gibt Orte die einen gleich bezaubern, die einen entspannen lassen, Orte wo man einfach beruhigt ankommt und sich sofort wohlfühlt. Genau ein solcher Ort ist Bogota, die Hauptstadt von Kolumbien. Bogota ist ganz anders als alles, was ich bisher in Zentral- und Südamerika gesehen habe. Es herrscht eine gewisse Kühle! Eine erfrischende, entspannende, europäische Kühle. Es ist das erste Mal, dass ich seit über zehn Wochen meine lange Hose wieder anziehen kann und nachts eine Decke brauche. Kein klebriges Hemd, kein Schlüpfer, den man sich ständig aus der verschwitzten Pofalte ziehen muss. Es ist einfach schön hier. Die Stadt liegt auf 2600 Meter über dem Meeresspiegel inmitten von noch höheren Bergen.
Ein mediterranes Ambiente, dazu eine Mischung kolonialer Architektur, barocker Kirchen, moderner Hochhäuser, Art-Deco-Gebäude und Streetart. Eine bunte Stadt voller Straßenmusik und Graffitis, gemischt mit Dealern, die für Touristen Kokain im Angebot haben. Aber das ist auch der einzige Bezug zum Drogenimage, die Kolumbien für mich hatte. Hier kann man sich wohlfühlen. Noch schnell ein Besuch im Goldmuseum mit unzähligen und prächtigen Ausstellungsstücken, die die Spanier den Indianern geraubt oder getauscht haben. Man kann nachvollziehen, was die Europäer hertrieb und man ahnt, wie viel Blut und Elend damit verbunden ist.
Eine lange Strecke vor mir
Aber mir bleibt nicht viel Zeit. Ich muss weiter. Mein Plan ist eng gefasst. Ich möchte fast 12.000 Kilometer von Bogota nach Rio de Janeiro trampen oder reisen. Nicht fliegen, höchstens mal mit dem Bus fahren, wenn es nicht anders geht. Dafür habe ich 18 Tage Zeit, denn ich bin in Rio verabredet. Also starte ich meine Reise durch 9 Länder, erneut über den Äquator, durch den Regenwald, die Berge, die Wüste, die Steppe. Wie immer, ohne Plan aber mit entschiedenem Daumen und einem möglichst breiten Lächeln auf den Lippen.
Wie immer beginnt die Reise mit der Schwierigkeit einen geeigneten Startpunkt zu finden. Im Ausland, aber besonders in großen Städten ist das nicht leicht. Also fahre ich meist mit dem Fernbus (in Südamerika gibt es ein supergutes Netz) bis in die nächste mittelgroße Stadt, um einen geeigneten Startpunkt zu finden, weg vom Chaos der Millionenstadt. In Kolumbien war der Start nicht so einfach. Viel Regen, Schwüle und ich habe Schwierigkeiten, mitgenommen zu werden. Außerdem sind die Tage immer wieder erschreckend kurz, hier um den Äquator. Nachts geht es immer noch schlechter. Wenn ich aber die Nächte im Bett verbinge, ist die Strecke in der kurzen Zeit nicht machbar. Mir ist also klar, dass ich im LKW, Bus oder an der Straße schlafen muss, um Standzeiten zu vermeiden.
Glücklicher Wehrdienstverweigerer
Die Grenze zwischen Kolumbien und Ecuador ist ungewöhnlich. Schnell aufgebaute Hütten aus Sandsäcken wirken wie ein Provisorium, ansonsten ist die Grenze, wie an vielen Stellen in Südamerika ungesichert. Man muß sich selbst um einen Stempel mühen, es gibt keine Kontrollen. Sichere, befriedete Grenzen. Ähnlicher Lebensstandard auf beiden Seiten. Erst einmal nimmt mich die Armee mit. Ich erzähle nicht, dass ich mich in Deutschland mit 23 Krankenscheinen vor dem Wehrdienst gedrückt habe, wie auch, mit meinem schlechten Spanisch. Außerdem ist es lange her. Wir teilen die LKW-Ladefläche, die auf schlechten Holzbänken ziemlich hart ist und auf die es reinregnet und ich weiß, dass es eine gute Idee war, nicht zu dienen.
Oh, wie schön ist Ecuador
Ecuador hat unglaubliche Landschaften. Ein bergiges Land, mit tropischem Regenwald, Wasserfällen. Die Fahrt durch die Berglandschaften mit unendlich vielen Grüntönen, sogar durch die Wolken. Vorbei an Erdölpumpen, die hier mitten im Paradies stehen und durch Flüsse, die über die Straße fließen. Einmal wird ein solcher Fluss allerdings zur unüberwindlichen Barriere. Ein Erdrutsch hat die gewaltige Betonröhre verstopft, durch die das Wasser normalerweise unter der Straße hindurchfließt. Also fließen die Wasser und Schlammmassen über die Straße und machen sie unpassierbar. Nach Stunden und nur mit Hilfe schwerer Technik, gelingt es, den Weg wieder frei zu machen.
In Quito komme ich dementsprechend erst nachts an. Es ist alles geschlossen. Also mache ich nur einen kleinen Stadtbummel. Vorbei an barocken Kirchen und kolonialistischen Palästen. Eine schöne Altstadt, die ich durchwandere. Nach ein paar Stunden reise ich schon weiter in Richtung Peru. Wieder regnet es.
Zum ersten Mal auf meiner Reise sehe ich viele andere Tramper. Die meisten wollen zurück nach Hause, nach Argentinien. Das ist viele tausend Kilometer weit weg. Mit zwei von ihnen teile ich erst den LKW, dann den Regen und dann die Dusche und Bett im Hotel.
Auf der Panamericana durch Südamerika
Immer wieder fahre ich vorbei an Siedlungen aus kleinen Hütten, durch Städte, die von besseren Zeiten künden. Alles in Beton gegossen, Badeorte, in denen kein Tourist ist, ich sehe Steppe, Wellblech, Eselskarren, bis sich die Vegetation zur Wüste verändert. Ich bin auf meiner alten Bekannten, der Panamericana unterwegs. Diese Straße führt über mehr als 25.000 Kilometer von Alaska nach Feuerland. Im vergangenen Jahr bin ich ihr durch Zentralamerika immer wieder gefolgt. Als ich Lima erreiche, ist es Sonntag in der Passionszeit. In der ganzen Stadt sind Passionsumzüge. Schwere Christus- und Marienstatuen werden, begleitet von Gesängen, durch die Stadt getragen. Ein beeindruckendes Spektakel, das in der zentralen barocken Kirche im Zentrum der Stadt endet. Hier wird mir zum ersten Mal bewusst, wie steil die Sonne auf mich herabscheint. Es gibt keinen Schatten. Senkrecht über mir brennt sie erbarmungslos.
Am Freitag geht es weiter mit dem nächsten Teil der Serie.