Einst galt es als das Territorium von sagenumwobenen Königen. Den Khmer Rouge diente es als Kommandozentrale und letzte Bastion der Guerilla-Kampftruppen von Pol Pot. Heute erinnern nur die pittoresken Tempelruinen an die frühere Hochkultur der Khmer. Der Norden Kambodchas ist schon immer Schauplatz von Konflikten gewesen – heute zwischen den Nachbarn Kambodscha und Thailand. Unsere neue Reihe nimmt euch mit auf eine Tour durch den bisher noch wenig erschlossenen Norden Kambodschas.
Die nördlichen Provinzen Kambodschas gehören aufgrund der allgegenwärtigen Geschichte und facettenreichen Landschaft zu den interessantesten Regionen des Landes. Doch der Norden ist auch nicht so leicht zu bereisen, denn bisher ist er kaum erschlossen und abgesehen von den Tempelkomplexen um Siem Reap hat sich bisher wenig Infrastruktur für den Massentourismus entwickelt. Der oftmals einzige und eindringlichste Weg ist daher die Erkundung mit dem Motorrad. 4 Tage, 860 Kilometer – das sind die Zahlen einer abwechslungsreichen, zuweilen anstrengenden, jedoch spannenden Reise voller Eindrücke, die sich durch Absurdität selbst gesteigert hat.
Wie schon im Reisepodcast zu Kambodscha erläutert, lässt sich das Jahresklima in diesem Teil Südostasiens in zwei Perioden einteilen: Die Trockenzeit zwischen November und April/Mai und die vom Monsun beeinflusste Regenzeit im Rest des Jahres. Die klimatischen Bedingungen sind einer der Hauptgründe warum Januar und Februar die ideale Reisezeit für Südostasien sind. Insbesondere gilt dies für Überlandreisen mit dem Motorrad, da Erdstraßen zu dieser Zeit gut befestigt und Asphaltpisten eher rar sind. Nach Regenschauern und langanhaltender Feuchtigkeit verwandeln sich viele dieser Straßen, Wege und Pfade in Matschpisten und sind kaum befahrbar.
Auch fand gerade die offizielle Trauerzeremonie für den am 15. Oktober 2012 verstorbenen Königvater Norodom Sihanouk in Phnom Penh statt. In einer aufwendigen Prozedur über fast eine Woche wurde sein Totenbett zur extra für diesen Anlass errichteten Pagode geleitet und sein Körper dort eingeäschert. Die Überreste wurden dann vom Sohn und jetzigen König Sihamoni herausgelesen und anschließend teilweise dem Fluss übergeben. Der andere Teil wird in einer Stupa aufbewahrt. Wie sich herausstellte war die ganze Zeremonie weitestgehend für die Öffentlichkeit unzugänglich und das Areal um den Königspalast großräumig abgesperrt – wohl auch eine Reaktion auf das Unglück vor fast drei Jahren als über 300 Menschen bei einer Massenpanik zu Tode gekommen sind. Für die vielen extra Angereisten – vor allem für die ältere Bevölkerung ist der König noch immer oberste Autoritätsperson im Land. Für diese war es eine herbe Enttäuschung, ihnen blieb nur die Berichterstattung vom Fernseher aus.
Auch aus diesem Grund war es letztendlich die richtige Entscheidung die Hauptstadt für die Dauer der Zeremonie zu verlassen. Der Plan sah die Erkundung des mir bislang noch unbekannten Norden Kambodschas mit dem Moped vor. Schließlich sind wir zuerst mit dem Bus nach Siem Reap (300km nordwestlich von Phnom Penh) und anschließend gleich weiter in das 30km entfernte Banteay Srey gefahren. Das ist die Heimat meiner Freundin Kim und ihrer Eltern.
Glücklicherweise konnten wir von ihrer Familie Mopeds ausleihen. Zwei Arbeitskollegen von Kim waren auch noch mit dabei. Die folgenden vier Tage führten von „Highways“ über staubige Schotterpisten und verbuschte Trampelpfade. Einerseits war natürlich der Weg das Ziel, andererseits befinden sich entlang der Strecke viele interessante Orte.
Unter anderem stehen dort die Tempelruinen von Beanteay Chmar. Zu Gesicht bekamen wir auch den Tempelkomplex Preah Vihear, der wie ihr vielleicht aus den Nachrichten wisst, zwischen Thailand und Kambodscha umstritten ist. Aauf dem Kamm des Dangrek-Hügelmassivs liegen weiterhin zwei Tempel die kaum bekannt sind. Der Territorialkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha war in der Tat ein immer wiederkehrendes Thema, denn beidseits der natürlichen aber politisch umstrittenen Grenze haben sich die thailändische und kambodschanische Armee positioniert – in den vergangenen Jahren ist dieser Konflikt öfter eskaliert und es kam zu Gefechten mit scharfer Munition.
Nicht weniger bewegend waren die letzten Zufluchtsstätten und Festungen der Khmer Rouge, die bis vor 10 Jahren diese Region noch kontrolliert haben. Ein Bild, das in diesem Zusammenhang den tiefsten Eindruck hinterlassen hat, war die Begräbnisstätte für Pol Pot, den langjährigen Führer der Bewegung. Nicht nur das sein Grab als zu pflegende Tourismusattraktion gepriesen wurde, sondern auch die im Hintergrund der Szene wahrnehmbaren Bauarbeiten an einem riesigen Kasinokomplex. Die Errichtung von Vergnügungsstätten dieser Art mag mittlerweile typisch sein für thailändisch-kambodschanische Grenzorte, in diesem bildlichen und historischen Kontext ist der Eindruck an Absurdität jedoch nicht zu überbieten.
Dieser Artikel ist der 1. Teil der Serie zum Norden Kambodschas. Hier findet ihr die weiteren Artikel der Reihe:
Teil 1: Reich der Könige und roten Tyrannen
Teil 2: Boeung Melea und Koh Ker
Teil 3: Pol Pots Grab, Prasat Preah Vihear, Anlong Veng
Teil 4: Ta Krabey, Thaman, Oddar Meanchey und Banthey Chmar
Teil 5: Zu Besuch bei einer Khmer-Familie