Die Dunkelheit bricht herein über die Sojafelder von Mississippi. Hier, wo bis vor wenigen Jahrzehnten noch Baumwolle, das weiße Gold der Südstaaten, wuchs, herrscht sonst Totenstille. Die Felder sind leer, die Traktoren stehen still. Jeden Donnerstagabend aber rollen ein paar Pick-Up-Trucks langsam die Feldwege hinunter. Aus einem Schuppen am Rande des Feldes dringen Stimmen und Musik. Ein Schild warnt: „Keine laute Musik. Kein Marihuana. Kein Rap. Kein fremdes Bier.“
Wir klopfen an. Als sich die Tür öffnet, begrüßt uns ein groß gewachsener Afroamerikaner mit einer blau-weißen Perücke und einer Seifenblasenpistole mit einem festen Händedruck. „Hello and welcome to Po Monkeys“, sagt er. Es ist William Seaberry, den alle hier aber nur als „Po Monkey“ kennen. Er ist einer der letzten Besitzer eines Juke Joints. Juke Joints, das waren einmal die Treffpunkte schwarzer Landarbeiter, die hier nach der harten Arbeit auf den Feldern einkehrten, um sich zu betrinken und um sich den Frust von der Seele zu singen. Oder wie man hier sagt: Sie hatten den Blues.
Einheimische und Gäste treffen in den Juke Joints aufeinander
Heute sitzen auch weiße Besucher und sogar Touristen an den Tischen. Immer wieder kommen auch Locals hinzu und setzen sich zu den Fremden an die Tische. Da sitzt Mike aus Texas, der den Blues erleben will neben Judy einer Einheimischen, die gelegentlich hierher kommt. Ein DJ legt Musik aus den 70ern und 80ern auf und animiert die Leute zum Tanzen. „Auch wenn die Juke Joints als Geburtsorte des Blues gelten, wird der dort heute nur noch selten gespielt“, erklärt mir Roger Stolle. Der Ladenbetreiber aus dem nahen Clarksdale hat ein Buch über den Mississippi Blues geschrieben und kennt Po Monkey schon seit über einem Jahrzehnt. „Die Juke Joints heißen auch so, weil dort früher Jukeboxen standen.“ Heute ginge es vor allem danach, was das Publikum wolle. Bluesbands sind zwar willkommen. „Die Betreiber lassen sie gerne spielen, aber nur wenn es sie nichts kostet“, sagt Stolle. Denn neben dem Eintritt von fünf Dollar verdient William „Po Monkey“ Seaberry nur am Verkauf von Bier für drei Dollar. Schnaps oder alkoholfreie Getränke dürfen die Gäste sogar selbst mitbringen.
Welthauptstadt des Blues
Fans von Liveblues werden daher auch eher in Clarksdale fündig, dass sich auch Welthauptstadt des Blues nennt. Östlich der Bahngleise, die das Städtchen auch heute noch in Schwarz und Weiß teilen, steht an der Sunflower Avenue das frühere Musikgeschäft Lavene’s Music Center. Schon seit Jahrzehnten begrüßt Betreiber Red Paden jeden Gast mit der Hand. Der Mann mit dem schwarzen Cowboyhut und einem freiwillig genutzten Gehstock, ist der Besitzer von „Red’s Lounge“. Bei ihm traten schon fast alle Legenden des Bluesdelta von Sam Carr bis hin zu Robert „Wolfman“ Belfour auf. Und auch heute ist sein Juke Joint wieder randvoll. Der Grund ist 16 Jahre alt und gilt als jüngstes Talent, um den Blues im Delta zu retten. Christone „Kingfish“ Ingram ist so versiert mit der Gitarre, er spielt sie zwischenzeitlich mit den Zähnen oder setzt sich zwischen die Zuschauer. Im Januar zeigte er First Lady Michelle Obama im Weißen Haus sein Können. „Das ist die neue Generation von Blues-Musikern, die den Blues nicht aussterben lassen“, sagt Roger Stolle. Und auch sie treten weiter in den Wohnzimmern des Blues auf – den Juke Joints.
„…Christone „Kingfish“ Ingram ist so versiert mit der Gitarre, er spielt sie zwischenzeitlich mit den Zähnen oder setzt sich zwischen die Zuschauer…“
Ein ganz klasse Beitrag, den Du da verfasst hast. Ich finde, man spürt richtig die Atmosphäre… Und wenn man sich dann noch diese Fotos – vor allem das von Christone Ingram – anschaut, kommt echtes Blues- und Reise-Feeling auf. In diesem Fall schade, dass man rooksack nicht auch hören kann ;-)))
Hallo Alexander,
das hätte ich auch wirklich gerne aufgenommen. Leider war Filmen aber nicht erlaubt. Bei Kingfish bin ich sogar nochmal explizit drauf hingewiesen worden. Aber am Ende muss man es selbst erlebt haben und dafür schreibe ich ja auch.
LG, Peter