Der Regen prasselt ziemlich heftig auf meine Kapuze nieder. Rund 300 Meter vom Pier entfernt wiegt das Boot auf den Wellen, auf dem ich jetzt gern wäre. Hinter mir steigen die grauen Rauchschwaden des Vulkans in den Himmel. Das Boot manövriert 20 Minuten lang hin und her, bevor es letztendlich doch abdreht und irgendwann am Horizont verschwindet. Es ist Mittwoch, mein Flug geht am nächsten Tag nach Hannover zurück. Mein Abend in Berlin ist verplant, mein Freitag mit der Familie auch schon. „Das Schiff kommt nicht zurück“, heißt es aus dem Fahrkartenschalter von Ustica Lines, einer der beiden Reedereien, die die Vulkaninsel Stromboli vor der Küste Siziliens und Kalabriens überhaupt ansteuert.
Vulkantour zum Stromboli wegen Sturm abgesagt
Bereits am Dienstagabend hatte ich die erste Enttäuschung erlebt. Bei unserer Ankunft um 15.30 Uhr mit der Fähre aus Vulcano, sagt man mir an der Rezeption unseres Hotels, dass die letzte Tour zum Vulkan Stromboli bereits weg ist und es heute keine mehr geben würde. Ich hatte mich auf die Eruptionen in der Nacht gefreut. Auch als ich danach bei der Tourenfirma Magmatrek anrufe, teilt mir die Frau am Telefon mit, dass das Wetter für den nächsten Tag schlecht sei. Wenn überhaupt ein Boot komme, würde sie vielleicht eine Tour voll bekommen, das Wetter könnte es aber trotzdem verhindern. Schweren Herzen gebe ich meinen Plan, den Vulkankrater zu sehen, auf. Um auch wieder rechtzeitig nach Deutschland zu kommen, entscheiden wir uns, am nächsten Tag mit der zweiten Fähre um 11.45 Uhr zu fahren. Die Nacht im Hotel ist schon bezahlt. Der Blick auf das Meer sehr schön.
Für 15 Minuten ein Ticket runter von Stromboli
Nun stehe ich am Pier und das Boot, auf das wir steigen sollten fährt davon. Ratlosigkeit herrscht unter den Fahrgästen. Uns bleibt nichts, als uns das Geld für die Fahrt zurückzuholen und auf die nächste Fähre am Nachmittag zu warten. Zwischenzeitlich nimmt der Regen zu. Aus der kleinen Gasse neben dem Hotel Ossidiana am Hafen von Stromboli fließt mittlerweile ein kleiner Fluss nach unten ins Meer. Es gewittert. Einmal schlägt ein Blitz nur etwas entfernt ins Meer ein. Der Donner der sofort zu hören ist, lässt die Luft und die Scheiben vibrieren. Stundenlang sitzen wir in der Lobby des Hotels und hoffen auf Besserung. Die See ist rau. Gegen 15 Uhr öffnet der Ticketschalter im Hafen. Wir können die Tickets für das Boot kaufen. Keine 15 Minuten später kommt der Rückruf. Das Boot hat wieder abgedreht, die Wellen zwischen Lipari und Stromboli sind zu hoch. Einer der anderen Hotelgäste ist Segler, meint: „Wenn der Wind von Nordwesten kommt, türmt sich die See dort auf. Da kann es hier ruhig sein, dort ist es das nicht“, sagt er. Bis zu 24 Stunden könne es dauern, bis sich das wieder beruhigt habe. Heute aber kommt sowieso kein weiteres Boot mehr.
Wir gehen zurück ins Hotel, buchen eine weitere Nacht. Vielleicht aus Mitleid geben die freundlichen Italienerinnen an der Rezeption uns ein Deluxe-Zweibettzimmer. Diesmal mit Blick auf den Vulkan – vielleicht denken sie, dass der Anblick des Meeres uns depressiv machen würde. Den Abend verbringen wir in den wenigen geöffneten Gaststätten der Insel – es ist schließlich März, die Saison startet frühestens im Mai. Selbst auf Wein habe ich aber keine Lust. Den Wecker stellen wir auf 6 Uhr. Das nächste Boot soll um 7.10 Uhr fahren.
Früh aufstehen und wieder warten
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker, ich bin todmüde. Mit einer Hand versuche ich das Handy dazu zu bekommen, die Fährgesellschaft anzurufen. Es nimmt natürlich niemand ab. Wir packen in der Zwischenzeit alles zusammen und gehen selbst nach unten. Kurz vor 7 Uhr kommt der Ticketverkäufer für Siremar, die andere Reederei, die Stromboli ansteuert. Nach einem kurzen Telefonat heißt es wieder: „Kein Boot, die See ist zu schlecht.“ Ich verzweifele nun doch. Es wäre das letzte Boot gewesen, mit dem ich meinen Flug noch erreicht hätte. ich gehe ins Hotel zurück, wir frühstücken zunächst. Dann sage ich Freunden und Familie ab und suche neue Flüge. Am selben Tag kann man nur Flüge mit Turkish Airlines oder Brussels Airlines buchen – über Istanbul oder Brüssel. Beides keine Flughäfen auf denen ich gerade umsteigen möchte. Ein Boot ist auch noch nicht in Sicht. Wir gehen schlafen, dann checken wir aus und sitzen mit Laptops in der Lobby rum. Auch das nächste Boot wir abgesagt, obwohl die See mittlerweile flach wie ein Brett ist. Wir kennen nun beinahe alle anderen Reisenden, die weg wollen, viele Deutsche. Alle haben resigniert, gehen nur noch hoffnungslos zum Bootsanleger. Auch das nächste Boot glauben wir schon abgesagt.
Die Rettung kommt zu spät
Doch dann gibt es doch gute Nachrichten: Das Nachmittagsboot ist immerhin schon einmal losgefahren. Alle versammeln sich am Bootssteg, diesmal sogar noch mehr Leute als früher. Aus dem Krater des Stromboli steigt wieder Rauch auf, der sich deutlich von den wenigen Wolken absetzt. Am Horizont erscheint ein Boot, es kommt auf uns zu. Die See ist weiter ruhig. Kurz danach schwebt das Tragflächenboot heran, lässt sich langsam nieder und die Matrosen werfen die Leinen rüber. Das Boot legt an. Die Meute klatscht. Auch wir sind froh endlich von dieser schönen aber verdammten Insel runterzukommen. Wenig später fährt das Boot aufs Meer hinaus. Und tatsächlich türmen sich die Wellen ordentlich auf. Was bei uns komplett flach war, ist hier eine Wildwasserbahn. Sogar mir wird etwas mulmig. Nachdem das Boot die Inseln abgeklappert hat, landen wir endlich wieder in Milazzo. Unser Mietwagen ist auch noch da. Paul hat uns eine Couch organisiert. Wie sich herausstellen wird, ist der verpasste Flug fast schon ein Segen: Denn so lerne ich am Ende noch ein paar herzliche Sizilianer kennen. Aber das ist eine andere Geschichte.