Obama hat es versprochen. Es wird sie geben. Die Globalisierung macht auch vor Kuba nicht halt. Annährung soll es geben zwischen den Vereinigten Staaten und der sozialistischen Insel Kuba. Gegenseitige Botschaften, Reiseerleichterungen. Das macht Hoffnung und Sorgen zugleich. Aber vor allem hat es Tausende Reisende, Touristen und Interessierte, wie auch mich auf die Socken gebracht, um das noch zu erleben, was in ein paar Jahren von Coca Cola, Mc Donalds, dem Massentourismus und den Sonnenbrillenverkäufern verdrängt werden wird. Das Kuba, was 57 Jahre seit der Revolution bestand hatte.
Seit 2 Wochen bin ich hier im Paradies des Mangels, lange war ich nicht so weit von Internet und moderner Kommunikation entfernt. Nicht so frei. Havanna, eine sympathische Mischung aus Barcelona und Maputo. Mediterran, feurig und auf eine angenehme Art verfallen.
Wie erwartet füllen die Straßenkreuzer der 50er Jahre die Straßen. Oder noch ältere Modelle. Ein lebendiges Museum. Eine Zeitreise. Und eine Reise in meine Kindheit. Erinnerungen aus DDR Tagen werden wach.
Hier kann man an jeder Ecke Musik erleben. Nicht nur an den touristischen Orten, auch an den authentischen. In der Provinz, mit schlechter Technik, schlechten Instrumenten aber mit dem kubanischen Temperament. Bands mit 9 Musikern und einem Vermonaverstärker. Unbegreifliche Trompeter habe ich genauso erlebt, wie Perkussionisten, die ein ganzes Ensemble ersetzen konnten. Ein Mal durfte ich sogar mitspielen. Das Guiro!
Wie in der DDR
Hier ist vieles schon überwunden, an dem wir noch so zwanghaft festhalten: Klopapier, fließendes Wasser, eine Währung, überquellende Geschäfte, Neuwagen, Internet. Das macht Hoffnung.
Andere Dinge sind dagegen vertraut und aktuell, wie etwa das Schachspiel auf der Straße, Schlange-stehen, zwei-fünfer ETZs, leere Geschäfte, das Aufteilen einer Schaufel auf 6 Arbeiter, Zement klauen auf der Baustelle oder das Geradeklopfen krumm geschlagener Nägel. Ladas. Das ist gelebter Sozialismus. Freudiger und sonniger als wir es jemals vermochten im verregneten Ostdeutschland, wo selbst die Kunststoffautos dahingerostet sind. Hier wird teilen noch großgeschrieben, auch wenn es um eine Schippe geht. Hier reden Menschen noch miteinander, es gibt Münzfernsprecher oder die Nachbarn kommen zum Telefonieren. Trinkwasser kommt mit dem LKW. Kinder spielen Murmel oder Fußball mit plattem Ball und Wohnungen sind zur Straße geöffnet.
Aber wie überall, das wissen wir aus der DDR ganz besonders, ist wo Licht ist auch Schatten.
Zwei Währungen sorgen für Verwirrung
Ein Schatten für Ausländer ist das verwirrende Geldsystem hier. Nun gut, wir hatten auch Forum-Schecks aber hier ist es noch ein Zacken verschärfter. Es gibt zwei Währungen. Eine an den verhaßten US Doller gebundene CUC, die Touristenwährung, mit der alles kostbare, wie Übernachtungen, Milch oder Oliven bezahlt werden und CUP, die Währung des kleinen Mannes, mit der man Softeis und Bananen bezahlt.
Beides existiert nebeneinander. Leider ist manchmal nicht vermerkt, welche Währung gemeint ist. Der Umrechnungskurs ist 24 CUP=1CUC, da ist es manchmal nicht gleich klar, ob ein Kaffee 5 Eurocent kostet oder einen Euro. Der Touristennap ist also vorprogrammiert und geschieht an jeder Ecke. Oder es existieren zwei Speisekarten. Ein bisschen wie in allen Touristengebieten, nur hier einfach ausgeprägter, unverschämter und staatlich begünstigt.
Havanna verändert sich
Havanna, die Hauptstadt Kubas, ist sehr sehenswert. So bin ich auch gleich einige Tage dort abgestiegen. Ich habe ein junges Pärchen getroffen, die innerhalb von zwei Minuten ihre Wohnung geräumt haben, um sie an mich abzugeben. Für CUC natürlich.
So bin ich kreuz und quer durch die Metropole gestiefelt und habe den Flair der Stadt genossen und auch ein wenig hinter die Fassaden geschaut.
Ich habe mit Menschen geredet, über das Leben hier, Politik. Ihre Träume und ihren Alltag. Immer mit dem Hintergedanken in meinem Kopf, dass es nicht ewig so weitergehen wird, wie es im Moment ist. Das Leben ist einfach, hart aber auch entspannend und voller Freude. Ich fürchte vieles davon wird verschwinden. Ich sehe das Ende nahen, sehe schon den Anlegekai für die Kreuzfahrtschiffe, mitten in der Altstadt, die Buden, in denen der Plunder für die Touristen verkauft wird, das Sterben der Besonderheit. Neid, Reichtum und Entfremdung. Aber wer vermag das Streben der Menschen nach Fortschritt und Reichtum schon aufzuhalten?!
Schwitzen in der katholischen Kirche
Bis jetzt ist ein Großteil der Kubaner Katholiken. In der Osternacht habe ich einen katholischen Gottesdienst besucht. Für mich unvorstellbar, dass man unter einem Ventilator in einer Kirche immer noch schwitzen kann. Aber in Kirchen fühle ich mich immer heimisch. Ich bin dort groß geworden, denke ich immer, werde ruhig und besinne mich. Empfinde Dankbarkeit. Und ich genieße es, in St. Annen über Eisleben den Gottesdienst zu spielen. Sonntags früh. Die Glocken, die mich auf dem Petrikirchplatz wecken. Die Türme, die das Stadtbild Eislebens prägen.
Trampen durch Kuba
Dann habe ich endlich die Hauptstadt verlassen und bin weggetrampt. Kuba sollte ja das Tramperparadies schlechthin sein. Leider ist aber durch das unausgewogene Verhältnis von Autos zu Trampern die Konkurrenz gewaltig. Da wird zu unlauteren Mitteln gegriffen und es werden Geldscheine statt des Daumens als Lockmittel in den Wind gehalten. Das ist natürlich eines Sporttrampers nicht würdig! Trotzdem bin ich früher oder später weggekommen. Sogar mit eigenem Polizisten (der natürlich auch getrampt ist) im LKW. Zu Spitzenzeiten waren wir zu acht im Führerhaus. Allerdings ging es bei mir ganz ohne finanziellen Beistand meist auch nicht.
Dann ging es mitunter auch mal mit dem Pferdewagen voran. Die sind, genau wie Ochsenkarren und Fahrradrikschas, ein ganz normales Verkehrsmittel. Auch auf der Autobahn, übrigens. Also bin ich auch immer wieder mit echten Pferdestärken unterwegs gewesen.
Kolibri und Segler aus Bautzen
Meine erste Station war Vinales mit einer Tilde über dem n. Ein idyllisches Tal zwischen grünen Hügeln und schönen Bergen (kletterbar). Trecking, Pferde, Höhlen, Tabakfelder und -leider- zu viele Touristen.
Hier habe ich endlich denn ersten Kolibri meines Lebens gesehen. Ein erfüllter Wunsch meiner Wunschliste. Wann wird endlich Hiddensee und die sächsische Schweiz erfüllt werden?
Dort war ich zum ersten Mal allein mit einem Pferd unterwegs. Unvergesslich. Auch die Striemen an meinen Schenkeln. Man reitet eben nicht in Shorts.
Mit dem Fahrrad bin ich durch die Gegend gestreift, habe Bauern beim Pflügen beobachtet oder beim Schlittenfahren. Und ich habe in einer Höhle in völliger Dunkelheit und Stille in einem gewaltigen See gebadet.
Außerdem habe ich Steffi und Falk mit ihren Kindern Max und Martha getroffen. Eigentlich kommen sie aus Bautzen aber sie haben ihren Bauernhof für 5 Jahre gegen ein Segelboot eingetauscht, reisen um die Welt. Immer auf der Suche nach den Besten Klettergebieten dieser Erde. Schnell haben wir festgestellt, dass wir gemeinsame Kletterfreunde haben – Gerald und Chris aus Halle, mit deren Daunenschlafsack ich reise. Wir haben also viel über Reisen, Freiheit und Kindererziehung, weit weg von Schule geredet und sind ein bisschen zusammen geklettert. Kalkstein, Risse, Fingerlöcher, Exen.
Dafür habe ich ihrem Sohn Max eine Physikstunde in Optik gegeben.
Melancholie und Heimweh
Dies macht mich melancholisch. Erinnerungen und Heimweh an die Schulen, in denen ich arbeite werden wach. Die Bilungsmanufaktur und die Logopäde in Halle, meine Gitarrenklasse der Erzieherinnen (und 2 Erzieher) in Eisleben. Ich bin froh, dass ich dorthin zurückkehren kann und werde, wenn ich wieder daheim bin. Zurück zur Normalität zu Pflicht und Alltag. Alltag auf absehbare Zeit. Ich freue mich auf zu Hause. Auf meine Freunde, auf Eisleben aber eben auch auf meine Schulen, meine Schüler, meine Kollegen. Mir wird immer wieder bewusst, wie privilegiert mein Leben ist. Voller Freiheit und Ferne aber auch voller Geborgenheit und Heimat. Seit ich mein Referendariat beendet habe, habe ich mich nicht über mein Leben beschwert sonder bin immmer dankbar, dass es ist, wie es ist: Großartig und voller Freude und Musik.
Betreutes Trampen bis ins hohe Alter
Dann habe ich mich wieder auf die Socken gemacht. Ohne Richtiges Ziel bin ich nach Osten getrampt. Vorbei an Havanna auf der einzigen Autobahn, die es hier gibt. Schnell saß ich wieder in einem alten russischen LKW oder auf irgendeiner Ladefläche. Dabei trifft man immer auf andere Tramper, wie diese hier, mit 20 Sack Pepperoni. Dabei musste ich an meine Tramptour letzten Sommer mit einem Gasherd durch Deutschland denken (ein ebay-Schnäppchen aus Pirna). Keine 20 Säcke aber auch eine sehr erfolgreiche Reise.
Hier ist das Tampen auch bei Senioren sehr beliebt. Ich hoffe, bis ich alt bin, hat sich dies auch in Deutschland durchgesetzt. Ansonsten muss ich es eben selbst gründen, das erste Zentrum für betreutes Trampen in Europa. Wir brauchen superkleine Rollatoren, Rastapfleger und Trampschilder in Blindenschrift, ein paar Inkontinenzwindeln und die Viagras eingepackt und los geht́s gen Süden. Schon wieder bin ich abgeschweift. Irgendwo bin ich eben doch Geschäftsmann.
Probleme mit der Polizei
Die Tour verlief also ganz erfolgreich, bis auf 2 Polizeikontrollen. Ein paar LKW Reparaturen, immer mal umsteigen, alles ganz normal. Doch dann war es plötzlich Nacht, ein Auto hielt. Ein klappriger Bus, zwei Männer. Einer mit einer schäbigen Uniform. Er erklärte sich für äußerst wichtig. Zum Glück sprach er etwas Russisch. Sonst hätte ich das gar nicht bemerkt. Unsicherheit und Gefahr. Diebe und Schläger warten mir auf, war seine Beschreibung der Situation, die mir eben noch friedlich und gefahrlos schien. Lange habe ich gestritten, als er mir erklärt hat, ich müsse mit zur Polizei kommen. Ich habe ihm ja nicht mal geglaubt, dass er ein Polizist sei, auch wenn er mir ausgiebig sein Funkgerät gezeigt hat. Also hat er Verstärkung angefordert, ein echter Polizeilada kam und es half kein diskutieren mehr. Ab auf die Wache zur Identifizierung.
Dort gab es zwar ein Dach über dem Kopf. Aber wenn man eines nicht braucht hier, dann ist es ein Dach. Gegen die Sonne-ok aber nicht des nachts. Es gab also eine Zelle mit 2 weiteren Ganoven (einer kam in Handschellen, der andere war im Delirium). Erst habe ich mich geärgert, zur angenehmsten Zeit nicht wandern zu dürfen aber als meine Isomatte erst mal ausgebreitet war, war es eine angenehme Nacht.
Morgens gab es keine Identifizierung, ja nicht einmal Kaffee und ich konnte weiter. Dafür alos nur 2 Sterne für den Service in Ciego de Aquila.
Zusammen ist man weniger allein
aus der Stadt laufen, in einen Jeep ohne Türen springen, auf die Pferdekutsche umsteigen, ein Stück auf dem Anhänger eines Traktors mit einer Horde Bauarbeitern, wieder ein Pferdewagen, ein Stück auf dem Traktor der Müllabfuhr, am Bahnübergang ohne zu fragen auf eine LKW- Ladefläche springen, Schatten suchen, in einem Bus ohne Sitze, in den Laderaum eines Transporters und endlich ins klimatisierte Mietauto eines bayrischen Ehepaares. 6 Stunden, 120 km nach Cayo de Coco, angeblich die Insel mit den schönsten Stränden Kubas. Leider eine Tourifalle. Es gab zwar Flamingos, Pelikane, Mangroven und Strände aber ringsum nur Resorts.
Am Abend habe ich dann in Moron Maria, aus Barcelona (meiner Lieblingsstadt) kennengelernt und mit ihr Zeit und Bett geteilt. Zusammen ist man weniger allein.
Wir hatten eine gute Zeit zusammen. Sie hat gespürt, ich sei ein glücklicher Mensch hat sie gesagt. Und das stimmt. Ich habe Freude an meinem Leben, am Reisen, an Kuba. Also sind wir ein Stück des Wegs gemeinsam gereist. Mit dem Zug. 3 Stunden Verspätung, kein Sitzplatz, 7 Stunden Fahrt, sengende Hitze. Ich bin zur Lok gegangen und habe uns dort untergebracht.
So hatten wir eine kurzweilige Fahrt, ich durfte hupen und ich war nicht schlecht, denn wir haben keine einzige Kuh überfahren.
Keine Kuba-Apfelsinen auf Kuba – ab nach Mexiko
Man kann sich also an Kuba gewöhnen. Einen echten Mangel muß man aber erwähnen. Es gibt keine Kubaapfelsinen. Naja, muß es eben ohne gehen. Aber eine Enttäuschung ist es schon!
Nun bleiben nur weitere 2 Tage hier auf der Insel. Dann werde ich nach Mexiko reisen und dort die letzten 3 Wochen meiner Reise verbringen.
Viva la revolution.
Wir werden also sehen, wie schnell der Wandel in Kuba kommen wird, wenn es die versprochene Annährung an den Westen geben wird. Schön vorsichtig bitte, Mister Obama!