Der gefährlichste Vulkan Europas thront direkt neben Neapel. Der Vesuv bietet sich für einen Tagesausflug an. Dafür gibt es eine atemberaubende Aussicht und die Möglichkeit ein Sprichwort umzusetzen, was man in Deutschland so nicht erfüllen kann.
Ein wenig fühle ich mich diesem Berg verbunden. Als ich noch Kind war, habe ich immer heimlich beobachtet, wie die Loren der Kupfererzhütte „August Bebel“ die heiße Schlacke die vom Schmelzen des Mansfelder Kupfererzes übrig war, den Hang hinunter kippten. Für ein paar Minuten lag die rote Glut dann an den schwarzen Hängen, kroch langsam zu Boden. So muss Lava aussehen. Meine Oma las mir während dieser Zeit immer aus einem Weltalmanach vor und fragte mich nach den höchsten Bergen. Darunter waren auch der Ätna und eben auch der Vesuv. Und doch sehe ich heute an diesem Tag nichts glühen außer der Sonne.
Ich blicke in den Krater hinab. Eine Mondlandschaft – 200 Meter tief liegt das Geröll. Kaum zu glauben, dass dieser Vulkan mal ausgebrochen ist. Wo heute nur aus einzelnen Felsspalten der Geruch von faulen Eiern, dem Schwefeldioxid zieht, ist dies dennoch der gefährlichste Vulkan Europas, neben seinem Nachbarn Stromboli auf der gleichnamigen Insel, die im Grunde nur die Verlängerung des Vulkans ist. Mehrere hundert Meter unter mir ist die Magmakammer die das ganze Vulkansystem speist. Ein Entzündungsherd der Erde. Immer wieder gab es auch Erdbeben. Das letzte verheerende hat Neapel in Teilen 1980 zerstört, wie mir ein freundlicher Italiener auf dem Hinweg im Circumvesuviana erzählt.
Friedlich liegt er da, dieses Monstrum. Er rührt sich nicht. Er spuckt kein Feuer und grollt nicht mal. Dabei ist es aber nur eine Frage, bis sich die Kraft des Vesuvs erneut entlädt und er den Hang hinabbraust und jeden Baum, jeden Strauch, jede Mauer, jedes Haus unter sich begräbt. Er ist das ständige Damoklesschwert über Neapel und der ganzen Region. Das letzte Mal ist er 1944 ausgebrauchen. Damals zerstörte er gar fast den kompletten Luftwaffen-Stützpunkt der Amerikaner, die zuvor erst auf Sizilien und dann im Rest Italiens gelandet waren. Die Naturgewalt macht vor der von Menschen geschaffenen Gewalt keinen Halt.
Die Aussicht auf Neapel ist atemberaubend. Die Stadt schmiegt sich wie ein Handtuch direkt an den Fuß des Schlotes. An der anderen Seite der Bucht erstrahlt die Amalfi-Küste mit ihren Felsen im Licht er Sonne. Nicht weit entfernt kann man Capri erkennen, die Hausinsel von Neapel. Und auch zu erkennen sind Felder, die von Steinen und halben Häusern bedeckt sind. Es sind die Überbleibsel zweier florierender Städte der Antike. Pompeji und Herculaneum gingen bei der Explosion des Vesuv im Jahr 79 nach Christus unter. Von dort sieht man den Zerstörer bis heute. Jedoch soll er vor dem Untergang Pompejis mindestens doppelt so hoch gewesen sein, bevor er sich in einer gewaltigen Explosion massiv verkleinerte. Bevor Asche und Gestein vom Himmel regneten und giftige Gase alles Leben erstickten. Und bevor schließlich der letzte Rest der am Leben gebliebenen Seelen durch einen gewaltigen pyroklastischen Strom zu Asche wurden oder in ihren Todesgesten zu Stein erstarrt sind. Sehen kann man sie bis heute in den Ruinen der antiken Stadt.
Angesichts dieser puren Urgewalt kann man nur weichen oder etwas Verrücktes tun. Deshalb greife ich in einem spontanen Anfall von Wahnsinn die Hand meiner Freundin und machen ein paar Schritte. Lang – lang – kurz – kurz – lang – kurz – kurz – lang. Erster Schritt vorwärts mit links. Dann kippe ich Franzi über meinen Arm und lasse sie sich nach hinten beugen. Es war kurz. Aber wir haben auf Europas gefährlichstem Vulkan getanzt. Die wahrscheinlich beste Zeremonie um die Geister dieser Urgewalt zu vertreiben.
Reisetipps Vesuv
Anreise zum Vesuv: Ihr wollt auch mal auf dem Vesuv tanzen? Dann gibt es für euch drei Möglichkeiten:
Zug zum Vesuv und dann mit dem Bus: Ihr könnt mit dem Zug sowohl bis nach Ercolaneo oder nach Pompeii fahren. Dazu müsst ihr an eine der Stationen des Circumvesuviana (zum Beispiel Napoli Piazza Garibaldi). Achtet auch darauf, dass der jeweilige Zug auch an eurem Bahnhof hält! Ab beiden Bahnhöfen gibt es Busverbindungen. Wir sind selbst bis Ercolaneo gefahren und haben von dort den Vesuvio Express genommen. Die Fahrt kostet Hin- und Zurück 20 Euro. Das Ticket für den Nationalpark zum Preis von 10 Euro ist da schon drin. Nur die Fahrt kostet sonst 10 Euro. Wenn Ihr das Ticket gleich mit dem Busticket kauft, spart Ihr euch mitunter das Warten am Eingang zum Nationalpark. Ab Pompeii gibt es auch Busverbindungen. Die Preise sollen auch um die 20 Euro liegen. Fragt in jedem Fall den Fahrer, wie lange sie warten. Vesuvio Express hat 90 Minuten auf uns gewartet. Das ging um alles zu sehen, aber ich persönlich wäre gern länger geblieben.
Ihr könnt auch mit dem Auto zum Vesuv. Es gibt unterhalb des Gipfels einen Parkplatz. Der kostet ein paar Euro Parkgebühren. Hinzu kommt dann noch der Eintritt zum Nationalpark von 10 Euro. Und den Wagen bloß immer in Fluchtrichtung parken 😀
Stilistisch echt toll geschriebener Artikel! Vielen Dank dafür 🙂
Danke! Freut mich, dass er gefällt!
Ich stand bisher bei drei Vulkanen auf der Kante (1x Japan und 2 x Indonesien) und konnte in die Caldera reinschauen. Dabei kommt mir immer ein bisschen ein Schauder hoch: Ich stehe da vor einem Loch, das ins Erdinnere führt. Und ich kann mir leicht vorstellen, wie früher den Menschen beim Anblick eines Vulkans solche religiösen Gefühle gekommen sind.
Dann wäre ich an Stelle deiner Mitreisenden jetzt vorsichtig. Sonst fängst du nachher noch an, Leute als Opfer für die Vulkangötter in den Krater zu schubsen 😀
Haha… Das ist bisher noch nie passiert. Aber ich war auch noch nie auf dem Vesuv… 🙂
Vielen Dank für den tollen Reisebericht. Ich plane gerade meinen nächsten Urlaub und ich glaube das kommt in meine engere Auswahl :-). Viele Grüße
Hallo Katharina,
freut mich, wenn ich dir bei der Entscheidungsfindung helfen kann! Neapel und der Vesuv sind wirklich sehenswert. Hat mir persönlich in Italien am besten gefallen. Auch Pompeii ist toll. da kommt heir demnächst auch noch etwas dazu!
LG, Peter
Goethe über seinen Besuch:
„Am Fuße des steilen Hanges empfingen uns zwei Führer, ein älterer und ein jüngerer, beides tüchtige Leute. Der erste schleppte mich, der zweite Tischbein den Berg hinauf. Sie schleppten, sage ich; denn ein solcher Führer umgürtet sich mit einem ledernen Riemen, in welchen der Reisende greift und, hinaufwärts gezogen, sich an einem Stabe auf seinen eigenen Füßen desto leichter emporhilft.
So erlangten wir die Fläche, über welcher sich der Kegelberg erhebt, gegen Norden die Trümmer der Somma.Ein Blick westwärts über die Gegend nahm wie ein heilsames Bad alle Schmerzen der Anstrengung und alle Müdigkeit hinweg, und wir umkreisten nunmehr den immer qualmenden, Stein und Asche auswerfenden Kegelberg. Solange der Raum gestattete, in gehöriger Entfernung zu bleiben, war es ein großes, geisterhebendes Schauspiel…“