Sie kommen einem nur selten in den Sinn. Wenn es keine WM-Qualifikation im Fußball gäbe, sie keine Steuerparadiese wären oder der Papst nicht dort wohnen würde, wären sie vielen Leuten unbekannt. In der zweiten Folge geht es um eine Burg die auf Felsenspitzen emporragt, einen Haufen Folterwerkzeuge und Gefühl und Gewissheit sich weit über den Wolken zu befinden: San Marino.

Wir haben uns in Borgo Maggiore absetzen lassen, weil wir die Altstadt schnell anschauen wollten. Die Nacht haben wir in einem Hostel im Ort verbracht. Von der Stadt San Marino ist an diesem Augustmorgen kaum etwas zu sehen. Der Monte Titano, auf dem die Stadt thront, liegt in dichtem Nebel. Zuvor hat man uns erzählt, dass eine Seilbahn hinauf in die Stadt fährt. Bei einem kurzen Rundgang spricht uns ein alter San Marineser an, der in Begleitung einer jüngeren Dame ist, die wir zunächst für seine Tochter halten. Er kommt aus dem Staunen gar nicht mehr raus über die Schönheit meiner Freundin. „Bella, bella“ verstehe ich nur. Seine Begleitung stellt sich als seine Pflegerin raus, die aus Russland kommt. So erfahren wir überhaupt erst, was der alte Mann sagt. Er meint ich solle sie bald heiraten, ansonsten finde man schon ein Plätzchen in San Marino für sie. Ich nicke zustimmend, denn bleiben will Franzi lieber nicht. Als wir uns in Richtung der Seilbahn verabschieden, zieht der alte Mann den Hut und gibt ihr einen Handkuss. Ein wahrer Cavaliere. Da kann man noch etwas lernen!

Die Sonne war in den Wolken in San Marino kaum erkennbar.
Die Sonne war in den Wolken in San Marino kaum erkennbar.

Als wir mit der Seilbahn zunächst den Boden der Tatsachen verlassen entschwinden wir in den Nebel. Auf dem Berg reift dann auch in mir die Erkenntnis: San Marino – das ist ein Staat der wie für ein Element geschaffen scheint – die Luft. Wenn man auf einem der Wehrtürme steht und mehrere hundert Meter nach unten blickt und unter einem die Wolken schweben, obwohl man noch festen Boden unter den Füßen hat, fühlt sich das trotzdem an wie Fliegen. Schon wenn man sich über die Brüstung beugt, ziehen einem die Wolken direkt ins Gesicht. Wer die Hand ausstreckt wird zum Wolkenkratzer. Wenn man einen Sturm einmal richtig erleben möchte dann hier oben. Man hört schon fast die Fensterläden der mittelalterlichen Häuser gegen die Hausfassade schlagen und wie der Wind das Dach knarzen lässt.

Manchmal zieht der Wolkennebel auch nur über die Turmspitzen. Daneben scheint die Sonne durch das Grau. Es scheint wie eine Sonnenfinsternis. Das passt gut hierher, denn San Marino ist Heim für ein Vampir- und ein Werwolfmuseum. In dem kleinen Festungsstaat hegt man eine große Liebe sowohl für mittelalterliche Waffen, als auch für Folterinstrumente aus den Jahrhunderten.

Als wir am nächsten Turm angekommen sind, ist der Himmel plötzlich aufgeklart und die Ebene des niederen San Marino und der italienischen Adriaküste liegt uns zu Füßen. Am Horizont erscheint Rimini, das mich an Badeszenen aus dem Italien der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts erinnert. Thomas Mann hat sie in „Mario und der Zauberer“ so eingängig beschrieben.

Regierungspalast San Marino
Der Regierungspalast beherbergt die Capitani, die Staatsoberhäupter der Republik, die alle halbe Jahre wechseln.

Die älteste Republik der Welt – auf einer Fläche von knapp 62 Quadratkilometern und mit etwas mehr als 30000 Einwohnern – kaum mehr als meine Geburtsstadt Eisleben. Und doch gibt man hier viel auf die Unabhängigkeit. Flaggen der Republik wehen überall. Die Wachablösung vor dem Palast zählt bis heute zu den täglichen Ritualen – ähnlich wie in Monaco. Überall werden marinesische Euromünzen angeboten und Briefmarken warten darauf von einer russischen, deutschen, französischen oder amerikanischen Zunge auf eine Postkarte geklebt zu werden. Selten kann man den Touristenströmen entfliehen. Aber wenn, dann spürt man für einen Moment wieder die Wolken direkt über den Kopf hinwegziehen. Auch wenn San Marino ein weiterer Mikrostaat in meiner Liste ist. Es bekommt einen Ehrenplatz mit dem Titel „Staat wo man dem Himmel am nächsten ist“.

Posted by Peter Althaus

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5 Comments

  1. World Whisperer Januar 2, 2014 at 13:23

    San Marino fehlt mir auch noch auf meiner Liste… Monacco und Vatikan kenne ich ja inzwischen…

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  2. Toller Bericht. San Marino kenne ich tatsächlich nur von der Landkarte (als schwarzer Fleck, den ich noch nicht besuchte). Ich wusste nicht, dass dieser kleine Staat so besuchenswert ist. Werde wohl dieses Jahr auch einmal dorthin fahren.

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  3. Darf ich einmal rummeckern? 😉
    Ich habe bei der PDRB-Liste nach Bosnien gesucht und bin als einziges Ergebnis hier bei Rooksack gelandet. Deine Suche spuckt mir aber leider kein Ergebnis aus – übersehe ich etwas?

    Aber ok, ich gebe zu, der Artikel über San Marino entschädigt dafür. Da ich ja auch ein Fan exotischer Reiseländer bin (und ich glaube da gehört San Marino, trotz seiner Nähe, zweifelsohne dazu), trifft das genau meinen Geschmack. Das Land kommt daher definitiv auf meine mittelfristige To-Do-Liste. 🙂

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    1. Meckern ist natürlich erlaubt. Auch dafür sind die Kommentare ja da.
      Bosnien wird sicher noch was kommen, da ich eigentlich zu allen bereisten Ländern mindestens einen Post plane. Da das aber schon etwas her ist (2008), wird es etwas Zeitloses sein. Der Balkan ändert sich ja doch recht schnell.
      Allerdings heißt es bei der PDRB auch „Bereiste/gebloggte Länder“. Daher sind da auch solche dabei, in denen ich nur war. Aber der Balkan steht auf meiner Liste. Albanien und Mazedonien sind da auch ganz vorn dabei. da Hab ich noch was zu erzählen.
      Ansonsten freut es mich, dass ich Dich wenigstens „entschädigen“ konnte. Danke fürs Lesen!

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      1. Cool, dann freue ich mich auf Albanien, Bosnien & Co. (wobei ich dir Recht gebe – 2008 ist für den Balkan schon eine Ewigkeit her, hilft also nur „nur reisen“ 😉 ) und schau mal wieder vorbei.

        Achja, den Artikel über Andorra habe ich ebenfalls gleich noch mitgenommen – ebenfalls schönes Ziel und interessant zu lesen. 🙂

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