In der letzten Nacht habe ich mich beim Reparieren meiner Hose immer wieder gefragt, was schlimmer ist: Denn Spott zu ertragen und mit Michael Rose in der 3. Klasse als Junge Nadelarbeit mitzumachen oder mit dieser Naht durch Sibirien zu reisen? Mittlerweile sind es nur noch 150 Kilometer bis Irkutsk.

Entscheidet selbst, ob sie den Vergleich zum Decoltée meiner Mutter scheuen muss. Immerhin ist sie in der Bikinizone von den Herzchirurgen in Halle Kröllwitz operiert worden.

Pflichten und Medienrummel im Anhalter-Alltag

Das sind also die häuslichen Pflichten, die man dann, fernab von Fernsehkameras tun muss. Es ist eben nicht immer nur Ruhm und Blitzlichtgewitter. Nein, manchmal ist es auch ganz leis und man hört nur leise die Nadel durch den Stoff gleiten oder den Schnee rieseln.

Aber immerhin hat der Fernsehsender aus Krasnojarsk, von dem ich euch im letzten Beitrag berichtet habe, mittlerweile das Video der Reportage über mich online gestellt. Das Video könnt Ihr hier anschauen. Der Fernsehsender, der den Beitrag über die Tramptour ausgestrahlt hat, heißt übrigens STS Prima in Kyrillisch also CTC. Der Beitrag lief am (28. Januar 2015 um 19 Uhr Ortszeit in Krasnojarsk.

Gefrühstückt wurde größtenteils ohne Klamotten.
Gefrühstückt wurde größtenteils ohne Klamotten.

Frühstück bei tropischen Temperaturen

Vor meiner Weiterreise habe ich noch ausgiebig mit Nemet gefrühstückt. Ihr kennt ihn sicher noch aus dem letzten Beitrag. Wegen der tropischen Temperaturen (siehe Foto oben), mussten wir dies allerdings halbnackt tun.

Energie kostet in Russland eben nichts, deshalb gibt es keine Thermostate an den Heizkörpern, keine Isolierung an den Neubaublocks, der Spülkasten läuft ununterbrochen und keinen kümmert es.

Nemet mit Pistole
Nemet mit Pistole

Dann hieß es Pistole anlegen, anziehen, Abschied nehmen und zurück an die Straße. Wie immer hat es nicht lange gedauert,  bis der erste Fahrer mich aufgegabelt hat. Ich habe noch nie länger als 1 Stunde an der Straße gewartet. Meistens unter 10 Minuten.

Fahrer Nikolai in seinem Lada
Fahrer Nikolai in seinem Lada

Kurz mit dem 37 Jahre alten Lada ein paar Kilometer und rein in den BMW X5 und mit 200 Sachen über die schlechten Straßen Sibiriens. Was will man mehr? Heute habe ich meinen neuen Temperaturrekord durchreist. -30 Grad hat das Thermometer angezeigt. Aber das ist aus einer Nobelkarosse gut zu ertragen. Nun trennen mich noch etwas mehr als 100 Kilometer von Irkutsk. Dort will ich etwas verweilen und vor allem die Registrierung bei der Polizei vornehmen, die vorgeschrieben ist. Heute habe ich den ersten Menschen kennengelernt, der schon einmal in Madagan war. Er ist mit seinem Spezialbohrfahrzeug gerade auf dem Weg dorthin. Kann sein, dass ich ihm wieder begegne.

Russland als Reiseland sehr zu empfehlen

Doch zunächst schlafe ich noch ein paar Stunden im Hotel, gleich neben der Straße. Dieses Zimmer kostet mich 500 Rubel, also ca. 7 Euro. Allerdings ist der Rubel auch derzeit so günstig, wie seit Jahren nicht mehr. Ich kann Russland als Reiseland nur empfehlen. Die Menschen sind ausgesprochen freundlich, die Weite des Landes kaum zu fassen. An vielen Stellen ist es wie eine Reise in die Vergangenheit, in die DDR. Außerdem ist die Infrastruktur, angefangen von Hotels und Gaststätten bis hin zu Straßennetz und Wifi an jeder Ecke. Und nicht zu vergessen ist meine Empfehlung das russische Eis, was ich mir ständig kaufe. Die Russen quittieren das übrigens immer mit Kopfschütteln.

Für das Eisessen ernte ich bei Russen regelmäßig Kopfschütteln.
Für das Eisessen ernte ich bei Russen regelmäßig Kopfschütteln.

Russische Sprache weiter ein Problem

Die einzige Barriere, die da neben Snowden, dem Ukrainekonflikt und dem westlichen Wirtschaftsembargo bleibt, ist die Sprache. Immerhin gibt es im Russischen 6 Fälle (und viele Deutsche beherrschen schon 4 ungenügend). Jedenfalls habe ich das mit den Fällen schon zu Schulzeiten nicht verstanden. Wenn man also nach Moskau will heißt das w Moskwu. Das geht ja noch. Bei w Ufu ist das schon komischer. Aber wer will schon nach Ufa? Obwohl, es ist ja immerhin die Partnerstadt von Halle an der Saale. (Wie eben auch Oulu in Finnland) Das liegt übrigens auch sehr idyllisch am Ende der Welt, nur eben in einer anderen Richtung. Aber auch dorthin hat mich schon mal der Daumen im Wind gebracht.

Ich am Baikalsee.
Ich am Baikalsee.

Endlich am Baikalsee

Kurze Zeit später bin ich auch endlich am Baikalsee. Über 4000 Kilometer hinter Moskau und 100 Kilometer hinter Irkutsk. Es ist einer der größten Süßwasserseen der Welt. Und vor allem reicht er von links, so weit man sehen kann, nach rechts, so weit das Auge reicht. Kurz, er ist nicht fotografierbar. Trotzdem habe ich für euch einen Versuch gewagt.

Am Tag zuvor habe ich Irkutsk verlassen, wo ich einen Tag verbracht habe. Die Stadt hat leider nicht sehr viel zu bieten. Sozialistische Architektur, einige alte Kirchen und Boris Becker als Werbeträger deutscher Optikerkunst. Alles nicht gerade sehenswert.

Zu Russland gehört allerdings auch der Besuch einer russischen Banja. Was wohl einer deutschen Sauna entspricht. Das habe ich dann auch in Baikalsk, direkt am Baikalsee getan.

Als ich vor 6 Jahren hier schon einmal langgetrampt bin, habe ich gesehen, dass hier ein Skigebiet ist. Diesmal habe ich mir die Zeit genommen und bin hier abgestiegen, um einen Tag Winterurlaub zu machen. Nun, es gibt 3 Schlepplifte und einen Sessellift, 14 Pisten, ein paar davon sind schwarz gekennzeichnet, wären aber wohl in der westlichen Welt nicht mal grau. Aber es war ein Spaß, mal wieder auf Brettern zu stehen. Und schließlich lag es am Wegesrand. Außerdem war der Ausblick über den Baikalsee unbeschreiblich.

Der Blick über den Baikalsee beim Skifahren war schon ein echtes Highlight.
Der Blick über den Baikalsee beim Skifahren war schon ein echtes Highlight.

Mit Kleidung fast zu gut ausgestattet

Die Straße hatte mich nach der kurzen Verschnaufpause aber auch gleich wieder. Zwei Tage habe ich in den verschiedensten Autos verbracht. Der See liegt weit hinter mir. Ich habe endlose Wälder durchfahren und Steppe. Ulan Ude habe ich auch schon durchquert. Rechts von der Straße lag die Mongolei, inzwischen liegt dort China. Nur wenige Kilometer entfernt. Ein verrücktes Gefühl!
Die bitterste Kälte lässt auf sich warten. Immer wieder berichten die Menschen von Temperaturen von minus 50 Grad. Ich habe sie noch nicht erlebt. Heute habe ich sogar sehr viel ausziehen müssen, denn die Temperaturen stiegen auf minus 8 Grad. Immerhin habe ich mich auf minus 20 Grad in den letzten Tagen eingestellt. Meine Kleidung ist optimal gewählt. Bis jetzt jedenfalls. Zwiebelprinzip: 2 paar Socken, Skihose, T-Shirt (ja, immer noch das gleiche, mit dem ich losgefahren bin), Fleecejacke, Daunenweste, Skijacke, 2 paar Handschuhe, Ohrenschützer, Armeemütze, Oma.

Wölfe und Bären im Sonderangebot!
Wölfe und Bären im Sonderangebot!

Keine Verwendung für Spezialunterwäsche

Die sibirische Unterhose habe ich noch überhaupt nicht einsetzen können, auch nicht die Merino Unterwäsche. Aber ich fürchte, ich werde es alles nicht umsonst herumtragen. Die Nächte werden kommen, wo ich es bitter nötig habe und mir mehr davon wünsche.
Auch Isomatte, Komaplane und geborgter Daunenschlafsack (1000 Dank an Klettergerald) haben noch kein Tageslicht und keinen Nachthimmel gesehen. Vielleicht ist das auch besser, denn mir wird immer wieder von wilden Tieren berichtet. Hier gibt es Bären und Wölfe (Medjeew). Die will man im besten Schlafsack nicht zu Gesicht bekommen.  Auf der Motorhaube habe ich sie jedenfalls schon betrachtet, wie man oben sehen kann.

Die Entfernungen nehmen im Osten immer weiter zu.
Die Entfernungen nehmen im Osten immer weiter zu.

Das Land wird weit

Die Entfernungen nehmen zu und die Besiedlung wird dünner. Immer noch gibt es unzählige kleine Siedlungen, genug Tankstellen und Hotels und vor allem super Straßen. Geräumter Asphalt und Beschilderung deutscher Qualität. Aber alles wird dünner, das merkt man. Spätestens, wenn der nächste große Ort über 2000 Kilometer ausgeschildert ist.

Meine Kreuzung liegt zum Glück nur noch 600 Kilometer vor mir, dort trennen sich die Wege nach Wladiwostok im Süden und Jakutsk im Norden, meinem Ziel. Nach Magadan sind es nur noch 3500 Kilometer.

Posted by Gregor Majewski

Hi, ich bin Gregor und schreibe hier auf Rooksack über meine Abenteuer per Anhalter in der Welt. Ich mache jedes Jahr einen längeren Trip und schreibe hier für euch. Wenn ihr mehr davon lesen wollt, dann folgt uns doch auf Facebook, Twitter oder abonniert uns per E-Mail!

One Comment

  1. Mel (worldwhisperer) Februar 3, 2015 at 11:03

    Immer wieder faszinierend wie weit du jeden Tag kommst. Super!

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